Internationaler Strafgerichtshof:
Etappenziel der Weltföderalisten erreicht
Ein Meilenstein
in der Entwicklung von globalen Rechtsstrukturen wurde trotz aller Kompromißformeln
durch die Verabschiedung des römischen Abkommens über einen
Internationalen Strafgerichtshof im Juli 1998 genommen. Als Signal gegen
Kriegsverbrecher konnte ein unabhängiges Gericht "mit Biß"
durchgesetzt werden. Mit Hilfe der NGO-Koalition wurde damit ein wesentliches
Etappenziel der Weltföderalisten erreicht.
v.l.n.r.: Troy Davis, Stephan Mögle-Stadel, Volker Müller, Horst Prem in der Akademie Schloss Schney
NGO-Vertreter beim Podium zum Thema Stärkung der Menschenrechte durch internationalen Strafgerichtshof
Als "Geschenk der Hoffnung für
künftige Generationen" hat UN-Generalsekretär Kofi Annan
das Statut zur Errichtung eines ständigen Internationalen Strafgerichtshofes
(IStGH) gewürdigt, das am 17. Juli dieses Jahres in Rom beschlossen
wurde. Fünf Wochen dauerten die zähen Verhandlungen im Gebäude
der FAO deren Schietern bis zuletzt nicht ausgeschlossen werden konnten.
Ihr Abschluß wurden von vielen Regierungen als historisch bezeichnet,
wenn es sich auch um einen Kompromiß handelt, der niemenden wirklich
ganz zufriedenstellt. "Es ist einer der größten Siege
des Friedens in den letzten hundert Jahren" begeisterte sich dennoch
Weltföderalist William Pace, als sich die Delegierten von 160 Ländern
in Rom endlich auf die Einrichtung des Weltgerichtshofes geeinigt hatten.
Was den Koordinator der 1995 vom World Federalist Movement (WFM) ins
Leben gerufenen Coalition for an International Criminal Court (CICC)
freute, war für die USA einen der bittersten Niederlagen seit langem
und gleichzeitig ein Etappensieg der Weltföderalisten. Schon anläßlich
des 50jährigen WFM-Jubiläums im Herbst 1997 würdigte
Pierre Sané, Generalsekretär von amnesty international,
ihre Leistung: "Wird die Geschichte des Strafgerichtshofes einmal
geschrieben, so wied die Aufstellung der NGO-Koalition durch die Weltföderalisten
den Zeitpunkt markieren, nachdem seine Errichtung unaufhaltsam geworden
ist", erklärte der Menschenrechtler in einer Grußbotschaft.
Neben den USA opponierten mit Ausnahme Großbritanniens vor allem
die anderen ständigen Mitglieder es UN-Sicherheitsrates gegen ein
unabhängiges Gericht. Überhaupt alle Aktivitäten des
Gerichts und seiner Ankläger sollten nach ihrer Auffassung von
der Zustimmung des Rates unabhängig sein und zudem von der
Einwilligung der betroffenen Länder. Der Sicherheitsrat müsse
jedes Verfahren jederzeit blockieren können, um es an sich zu ziehen.
Die USA, Frankreich, Rußland und China wurden hierbei von Ländern
wie Kuba, Iran, Irak, Libyen, Syrien, Indien, Pakistan und Ägypten
unterstützt.
Der Chefankläger des Tribunals für das ehemalige Jugoslawien,
der südafrikanischen Richter Richard Goldstone, warnte davor, daß
der IStGH keine Glaubwürdigkeit hätte und die internationale
Gerichtsbarkeit ernsthaft gefährdet würde, wenn der Gerichtshof
oder seine Ankläger vom UN-Sicherheitsrat oder von den Vertragsstaaten
abhängig gemacht würden. Das Prinzop der Gewaltenteilung wäre
auf internationaler Ebene über Bord geworfen worden, hätte
sich der Konferenz dem massiven Druck der Blockierer unterworfen und
ein Marionettengericht der Exekutive geschaffen. Für künftige
Formen der 'Global Governance' hätte dies fatale Folgen gehabt.
Ein im Juni veröffentlichtes Memorandum der Gesellschaft für
bedrohte Vülker untersuchte die Motivationen insbesondere bei den
Blockierern im UN-Sicherheitsrat: "Weltweit geschehen Jahr für
Jahr Genozide, Angriffskriege und andere schwere Verbrechen gegen die
Menschlichkeit. Die ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates,
die nach der UN-Charta die 'Hauptverantwortung für die Wahrundes
des Weltfriedens' tragen, haben solche Verbrechen selbst begangen, sie
aktiv unterstützt, begünstigt oder stillschweigend toleriert".
Als am Ende der Konferenz die gesamte Europäische Union, Kanada,
viele Länder Lateinamerikas und selbst Rußland auf der anderen
Seite standen, stärte das die Amerikaner weniger als ein unabhängiger
IStGH. So wurde das zustimmende Votum (120 x Ja, 7 x Nein, 21 Enthaltungen)
zu einer vernichtenden Niederlage.
Ehe das Weltstrafgericht an seinem künftigen Sitz in Den Haag die
Arbeit aufnehmen kann, werden noch einige Jahre vergehen. Das Abkommen
tritt erst nach Hinterlegung der 60. Ratifizierungsurkunde beim UNO-Generalsekretär
in Kraft. Der Ratifizierungsprozeß durch die nationalen Parlamente
wird schwierig und zeitraubend.
Trotz des "gequälten Kompromisses" und einiger Schlupflöcher
markiert die Etablierung des IStGH einen Meilenstein auf dem Weg zu
einer effektiven weltweiten Gerichtsbarkeit für die schlimmsten
Verbrechen. Die grundsätlich unabhängige Konzeption des Gerichts
kann angesichts der erheblichen Widerstände nur überraschen.
Das Mandat der 1995 von den Weltföderalisten initiierten CICC,
die inzwischen das Vorgehen von über 800 Organisationen koordiniert,
besteht freilich weiter, nicht zuletzt um darauf hizuwirken, daß
bei der Nachfolgekonferenz 2005 die vielen Schwachstellen ausgeräumt
werdne. Anzustreben wäre auch einen universale Jurisdiktion des
IStGH und letztlich die Etablierung eines internationalen Strafgesetzbuches
(IStGB), dessen erster Entwurf 1996 von der UN-Völkerrechtskommission
veröffentlicht wurde. Schließlich muß die Öffentlichkeit
zur Unterstützung des Ratifizierungsprozesses in den einzelnen
Ländern mobilisiert werden.
Lesen Sie hierzu auch den Gastbeitrag
von Horst Prem