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Gastbeitrag: Horst Prem | ||||||
Ein internationaler Strafgerichtshof hilft das? Wir haben im Frühjahr 1999 miterleben müssen, wie in Jugoslawien ein Militärbündnis, die NATO, einen sich abzeichnenden Völkermord gewaltsam beendete. Mit Sorge erfüllt mich die Tatsache, dass wir nach Beendigung des Bombenkriegs in Jugoslawien von Frieden kann meines Erachtens nicht gesprochen werden keine weiteren Fortschritte gemacht haben, um die UNO in eine Position zu bringen, bei künftigen Konflikten handlungsfähiger zu sein. Es sind nun NATO- und russische Truppen in Bosnien und dem Kosovo stationiert, die mit militärischem Druck für Ruhe und Ordnung sorgen, es wird eine zivile Gerichtsbarkeit und eine Polizeitruppe aufgebaut, aber Frieden zwischen den ethnischen Gruppen kann man dies nicht nennen. In der von Felix Ermacora verfassten Einführung zur Reclam-Ausgabe Internationale Dokumente zum Menschenrechtsschutz1 wird das Problem hinreichend deutlich beschrieben: In den Staatengemeinschaften vollzog sich nach dem Zweiten Weltkrieg das, was im 18. Jahrhundert für die Staaten der Welt maßgebend wurde: der Versuch, systematisch und universell den Menschen und seine Rechte gegen die latenten Eingriffe der Machthaber abzusichern. In Nordamerika und in Frankreich wurde unter der geistigen Führung aufklärerischer Denker und unter dem Eindruck der Missstände, die die absoluten Feudalherrschaften den Menschen bereitet hatten, ein in sich geschlossenes System von Menschenrechten proklamiert. [...] Nach dem Zweiten Weltkrieg wiederholte sich der Rechtsetzungsprozess auf zwischenstaatlicher Ebene. Auch da drang man zu einer systematisch-logisch geschlossenen Konzeption der Menschenrechte vor. Auch da geht es nicht nur um die Proklamation von politischen Entscheidungen, sondern allenthalben um den Versuch, den Inhalt des Programmierten durch quasi-richterlichen Schutz und manche faktische Leistung in die Wirklichkeit umzusetzen. Der Prozess der Proklamationen und internationalen Versicherungen ist seit 1945, wo man sich viel schneller als nach 1918 unter dem Eindruck der menschenunwürdigen Ereignisse, die nach dem Kriege offenkundig wurden, entschlossen hatte, die Menschenrechte universell zu proklamieren, weitgehend abgeschlossen. Was jedoch aussteht, ist die volle Übersetzung der Versicherungen, Proklamationen und Erklärungen in die staatliche Wirklichkeit; ziemlich unvollkommen ist noch der internationale Schutz der international proklamierten Menschenrechte durch effektvolle, unabhängige, zwischenstaatliche Organe, die nur dem Menschenrecht und nicht allerlei ausgesprochenen und unausgesprochenen Utilitarismen dienen. Nach wie vor liegt die Hauptlast des Schutzes auch der international proklamierten Menschenrechte auf den Staaten selbst. Das deutsche Sprichwort, dass damit der Bock zum Gärtner gemacht werde, muss bei allem Respekt vor der gehüteten Staatssouveränität ausgesprochen werden, um die tatsächliche Lage zu kennzeichnen. Dazu trägt nicht zuletzt eine weit verbreitete Gleichgültigkeit der Öffentlichkeit bei, dass jedes proklamierte Menschenrecht als Recht jedermann angeht. An der Spitze der Entwicklung, durchaus vergleichbar mit den Proklamationen des 18. Jahrhunderts, steht die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948; sie ist kein verbindlicher Rechtsakt, sondern eine politische Entscheidung der Vereinten Nationen. Halten wir als Zwischenergebnis fest: Die Hauptlast des Schutzes auch der international proklamierten Menschenrechte liegt bei den Staaten selbst. Da für die Staaten das 1648 aus dem Westfälischen Frieden proklamierte Recht der Nichteinmischung und der territorialen Integrität gilt, können Menschenrechtsverletzungen, die von Regierenden eines Staates ausgehen, von außen nicht geahndet werden. Staatsmänner wie Pinochet oder Miloevic, aber auch die chinesische Staatsführung oder Staatspräsident Putin, können Menschenrechtsverletzungen innerhalb ihres Territoriums mit dem Hinweis auf innere Angelegenheiten ihres Landes kaschieren! Das ist das Dilemma, in dem die Staatengemeinschaft steckt. Auch die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) konnte dieses Problem nicht lösen. Ermacora schreibt: Die europäischen Staaten desWestens sowie die USA und Kanada und die Staaten des Ostens haben bei ihrer Tagung über die europäische Sicherheit und Zusammenarbeit die sogenannten Helsinki-Dokumente vom 1. August 1975, einen völkerrechtlich zwar nicht verbindlichen, aber völkermoralisch bedeutsamen Akt beschlossen. Moralische Appelle helfen uns in dieser Situation nicht weiter. Die gescheiterten Missionen der KSZE in Bosnien, Kosovo und Tschetschenien sind nur ein Beispiel dafür. Ich meine nun hinreichend herausgearbeitet zu haben, dass wir im 21. Jahrhundert nicht beim Westfälischen Frieden von 1648 verharren können, sondern dass die UNO mit der Errichtung eines weltweiten Gewaltmonopols beauftragt werden muss, wenn wir von einer völkermoralischen Verpflichtung zu Menschenrechten zu exekutierbaren Normen kommen wollen. Der DFW-Vizepräsident Dr.Volker Mueller hat deshalb am 28. Juli 1999 an den Bundeskanzler geschrieben, wann er denn gedenke, das Rome Statute of the International Criminal Court zu ratifizieren, da dieses Dokument erst in Kraft tritt, wenn es von sechzig Staaten ratifiziert ist. Die Antwort aus dem Bundeskanzleramt vom 2. September 1999:2 Sehr geehrter Herr Dr. Mueller, der Bundeskanzler hat mich gebeten, Ihnen für Ihr Schreiben vom 28. Juli 1999 zu danken. Sehr zu Recht treten Sie dafür ein, den geplanten Internationalen Strafgerichtshof bald Wirklichkeit werden zu lassen. Die Bundesregierung hat sich bereits bei der Vorbereitung des Römischen Statuts sehr aktiv dafür eingesetzt, diesen Gerichtshof mit der erforderlichen Handlungsfähigkeit und Unabhängigkeit auszustatten. Im Rahmen der internationalen Vorbereitungskommission, die bis zum 30. Juni 2000 unter anderem die Verfahrens- und Beweisordnung für den Gerichtshof ausarbeiten soll, setzt die Bundesregierung dieses Engagement fort. Auf der innerstaatlichen Ebene werden derzeit die Ratifikation des Statuts, ein Ausführungsgesetz und ein Gesetz zu Änderung des Grundgesetzes vorbereitet, das das Verbot zur Auslieferung von Deutschen betreffen wird. Die Staaten der Europäischen Union haben das Ende des Jahres 2000 als Zieldatum für die Ratifizierung ins Auge gefasst. Das Statut wird in Kraft treten, sobald es von sechzig Staaten ratifiziert worden ist. Mit freundlichen Grüßen, i. A. Knirsch. Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten:
Es geht darum, im Zeitpunkt relativer Ruhe des Jugoslawien-Konflikts und auch anderer Konflikte, die völkerrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, die Menschenrechte auf internationaler Ebene einklagbar zu machen und damit das Instrumentarium der UNO zu schärfen. Der nachfolgende Brief aus dem Auswärtigen Amt3 erreichte Herrn Dr. Mueller: Sehr geehrter Herr Dr. Mueller, ich danke Ihnen für Ihr an den Bundesminister des Auswärtigen gerichtetes Schreiben vom 9. Dezember 1999, welches mir als dem Leiter des für den Internationalen Strafgerichtshof federführenden Referates im Auswärtigen Amt zur Beantwortung zugeleitet worden ist. [...] Wie Ihnen bekannt ist, sieht die Bundesregierung in dem am 17. Juli 1998 mit Zustimmung von 120 Staaten verabschiedeten Statut des Internationalen Strafgerichtshofs einen großen politischen Erfolg und einen Meilenstein in der Entwicklung des Völkerrechts. Entscheidend ist nunmehr, den in Rom beschlossenen Vertrag mit Leben zu erfüllen. Die Bundesregierung ist sehr daran interessiert, die für das Inkrafttreten des Statuts notwendige Zahl von sechzig Ratifikationen möglichst schnell zu erreichen. Deutschland hat das Statut am 10. Dezember 1998 unterzeichnet und am 1. Dezember 1999 den Gesetzentwurf zur Ratifikation des Statuts beschlossen. Unser Ziel ist die Ratifizierung des Statuts bis Mitte 2000. [...] Mit freundlichen Grüßen i. A. Hans Peter Kaul, Leiter des Völkerrechtsreferats. Es scheint nötig, etwas zum Inhalt des Rome Statute of the International Criminal Court zu sagen:
Wenn wir verhindern wollen, dass wieder ein Militärbündnis
darüber entscheidet, ob Menschenrechte verteidigt werden, dann ist
es unsere Aufgabe, die Exekutive der UNO zu stärken und für
die Einführung des Internationalen Strafgerichtshofs Partei zu ergreifen.
Ich hätte mir von deutschen Juristen eine bessere Idee gewünscht,
als den Bundeskanzler und den Verteidigungsminister wegen eines Angriffskrieges
anzuklagen. Wo sind denn die Vorschläge der Juristen jetzt, um ähnliche
Situationen wie im Frühjahr 1999 zu verhindern? Stefan Ulrich veröffentlichte
in der Süddeutschen Zeitung vom 7. August 2002 unter der Überschrift:
Den Haag und der D-Day, Amerika macht seinen Widerwillen gegen das
Weltgericht zum Gesetz folgende Momentaufnahme: Es ist ein schönes
Plätzchen, das die niederländische Regierung dem neuen Internationalen
Strafgerichtshof zur Verfügung stellen will: Nach einigen Jahren
provisorischer Unterbringung soll das Tribunal in einen Neubau auf dem
Gelände der Alexander- Kaserne im Haager Seebad Scheveningen ziehen.
Gleich dahinter beginnt eine unverbaute, sanft geschwungene Dünenlandschaft,
die nach ein paar Kilometern in einen weiten Sandstrand ausläuft.
Die gute Lage hat nur einen Nachteil: Sie lädt ein zur Invasion von
See. Doch wer wollte ein Tribunal überfallen, dem bereits 77 Staaten
beigetreten sind, darunter alle Mitglieder der EU? Die Frage ist nicht
so absurd, wie sie auf den ersten Blick erscheint nicht mehr zumindest.
Denn laut der US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat George
W. Bush gerade ein Gesetz unterzeichnet und in Kraft gesetzt, das in letzter
Konsequenz einen Militärschlag gegen das Gericht ermöglicht.
Der American Servicemembers Protection Act ermächtigt den Präsidenten,
alle nötigen Maßnahmen zu treffen, um Amerikaner
oder Bürger verbündeter Staaten aus dem Gewahrsam des Strafgerichtshofes
zu befreien. All means necessary das umschreibt in
der Gesetzessprache auch militärische Mittel. Das Gesetz, das auf
eine Initiative des Senators Jesse Helms zurückgeht, sieht eine Palette
von Maßnahmen gegen das Tribunal vor. Es verbietet US-Behörden
die Zusammenarbeit, untersagt die Weitergabe von Geheimdienstinformationen
und droht Staaten, die das Gerichtsstatut unterzeichnet haben, mit Entzug
der Militärhilfe. [...] Es wird überdeutlich, dass Kofi Annan dringend der Unterstützung der europäischen Staaten bedarf, um eine zukunftsgerichtete Friedens- und Menschenrechtspolitik mit Hilfe des Internationalen Strafgerichtshofes betreiben zu können.
Aus >>Kofi Annan, UNvollendeter Weg.
Die UNO im 21.Jahrhundert << |
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