"Die Geburt einer globalen
Nation"
US-Vize-Außenminister Strobe Talbott in
Bonn / WFM-Preisträger übt sich in Zurückhaltung
Auf
Einladung der Bundestagsvizepräsidentin Anke Fuchs und der Deutschen
Gesellschaft für Auswärtige Politik sprach der stellvertretende
Außenminister der USA, Strobe Talbott (Foto rechts außen), am 4. Februar 1999 im Wasserwerk
des Bundestages über "Das neue Europa und die neue NATO".
Der ehemalige Time-Journalist lobte die Einführung des Euro und
die Anstrengungen zur Bildung einer Europäischen Sicherheits- und
Verteidigungsidentität, die allerdings nur als Ergänzung zur
NATO dienen solle. "Bei der Neuerschaffung der NATO müssen
wir harte politische Entscheidungen treffen und durch solide politische
Argumente überzeugen", sagte Talbott mit Blick auf die neuen
sicherheitspolitischen Herausforderungen. Nicht nur im Vertragsgebiet,
sondern auch an dessen Peripherie müsse das Bündnis sicherheitsrelevante
ethnische und regionale Konflikte bewältigen können, wie es
etwa auf dem Balkan getan werde. Das Handeln der NATO müsse dabei
"immer mit den Zielsetzungen und Prinzipien der UNO und der OSZE"
übereinstimmen, meinte Talbott knapp 48 Tage vor den ohne UN-Mandat
gestarteten Luftschlägen gegen das serbische Regime in Belgrad.
"Gleichzeitig müssen wir darauf achten, die NATO keinem anderen
internationalen Gremium unterzuordnen", deutete Talbott dabei das
Spannungsfeld an. Er unterstrich, daß die USA aber keine "globale
NATO" anstrebten.
"Probleme taktvoll übergangen" kommentierte der Journalist
und Buchautor ("Die Anwälte des Friedens") Josef-Thomas
Göller den Auftritt Talbotts in der Wochenzeitschrift "Das
Parlament". Konkrete Differenzen im transatlantischen und deutsch-amerikanischen
Verhältnis zu erwähnen habe Talbott strikt vermieden; jedoch
dürften hinter den Kulissen "sowieso andere Klingen gekreuzt
werden".
Seit Erscheinen seines Essays "Die Geburt einer Globalen Nation"
am 20. Juli 1992 im Time-Magazin gilt Strobe Talbott als Unterstützer
des Weltföderalismus. Talbott, ausgezeichnet 1993 mit dem "Norman
Cousins Global Governance"-Preis der US-amerikanischen WFM-Sektion,
äußerte die Ansicht, daß der territoriale Nationalstaat
anachronistisch werde. Eine globale Autorität würde diesen
im 21. Jahrhundert ersetzen. Mit Hinweis auf die Arbeit der Weltföderalisten
betont Talbott die Notwendigkeit, Föderalismus und Demokratie auf
globaler Ebene einzuführen. In Bonn gingen von Talbott hierzu leider
keine neuen Impulse aus.
Lesen sie das Essay
"The Birth of a Global Nation" des ehemaligen US-Vize-Außenministers
Strobe Talbott über US-amerikanische Außenpolitik