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Entstehung der modernen Weltbürgerbewegung | ||||||
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WFM news 11/98, Nr.4: In der Einen Welt zuhause Im Jahr 1948 wurde während der UN-Generalversammlung in Paris, die am 10. Dezember die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedete, vergessene Geschichte gemacht. Die auch heute noch aktive Weltbürgerbewegung fand ihren damaligen Höhepunkt in der Besetzung der UN-Vollversammlung, bei der unter dem Namen "Operation Oran" u.a. von Albert Camus eine Weltbürgererklärung verlesen wurde. Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg folgerte
Garry Davis 1947, daß die Wurzel des Krieges im Nationalstaat
stecke. Inspiriert von Cord Meyers "Peace or Anarchy" and
Clarence Streits "Union Now" entdeckte der ehemalige US-Bomberpilot
als Alternative zum Krieg der Nationalstaaten eine Weltföderation
als völkerrechtliches Mittel zum Weltfrieden. Am 25. Mai 1948 gab
Davis im US-Konsulat in Paris seine Staatsbürgerschaft ab, um zu
zeigen, dass "die Dominanz des Nationalstaats weder blutig bekämpft
noch untertänig befolgt werden muss". Tatsächlich existiere
er in Wahrheit nur in der Einbildungen jener, die ihn bekämpften
oder verteidigten. "Wenn es mir gelänge, in dieser Welt wenigstens
einen zeitlang ohne nationalstaatliche Anerkennung zu überleben,
dann hätte ich den Ausschließlichkeitsanspruch des Nationalsaats
mitten ins Herz getroffen", meinte Davis. Am Morgen des 12. September fuhr Davis mit
der Metro zum Trocadéro und stand um sieben Uhr von dem weißen
Marmor des Palais de Chaillot, das noch verschlossen war. So quartierte
er sich und seine Reiseschreibmaschine einige Tage vor der offiziellen
Eröffnung der UN-Versammlung auf dem gegenüberliegenden, internationalen
Boden von UN-Restaurant und -Sekretariat ein. Dem französischen
Wachmann machter er begreiflich, daß wenn er ihn auf französischen
Boden hinauswerfen wolle, er gegen Gesetze und Anweisungen seines eigenen
Staates verstoße, welcher ihn, den Staatenlosen, mit heutigen
Datums seines Territoriums verweisen habe, so daß er gezwungen
sei, auf dem internationalen Boden dieses der UNO zeitweise überlassenen
Gebäudes Asyl zu suchen. Soviel juristisch begründete Sophistik
war für die mittlerweile versammelten Wachmänner zuviel. Sie
zogen ab, höheren Ortes neue Anweisungen einzuholen. Dabei stießen
sie fast mit den ersten Journalisten und Fotoreportern zusammen. Das
Ereignis war weltweit für viele Presseleute im bislang farblosen
Vorfeld der kommenden UN-Vollversammlung die vermißte human
interest story. Je nach politischem Couleur wurde Davis zum Helden
oder Narren gemacht. Aber immerhin 100 Zeilen mit Foto wert. Zunächst
bewegte es den in Paris schon anwesenden UN-Untergeneralsekretär
Konstantin Zinchenko, den Vertreter der UdSSR, zu einer Stellungnahme
gegenüber der Presse: "Davis ist ein Welt-Kind. Die Charta
sieht nicht vor, daß die UN Kindermädchen spielt. Staaten
mögen beitreten, Bürger in Windeln
Njet!". Aber nicht nur für Tausende vom Nationalismus
und Faschismus verführte und nun führerlose Zeitgenossen wurde
Garry Davis nun Ansprechpartner für ein neues und zukunftsträchtigeres
Sinnbild namens Weltbürgertum und gemeinsamer Weltregierung, sondern
auch für die Philosophen und Literatien seiner Zeit. Als erster
suchte ihn die intellektuelle Erscheinug eines Robert Sarrazac heim.
Befragt nach seinen Plänen erklärte Davis, daß er die
UN-Delegierten in Paris dazu auffordern wolle, eine völkerrechtliche
Weltverfassung zu entwerfen. Sarrazac empfahl Davis einen "Conseil
d'Avis", eine Art geistigen Solidaritätskreises einer Gruppe
führender, zunächst französischer Intellektueller, welchen
er für ihn organisieren wolle. Damit gewann die bisherige Ein-Mann-Demo
eine neue Dimension. Das Gründungstreffen des "Conseil de solidarité" fand Mitte Oktober vor versammelter internationaler Presse statt. Weltbürgerliche Übereinstimmung in der ideologischen Verschiedenheit war die Hauptattraktion und eine Quelle des Erstaunens für viele Journalisten. Gekommen waren etwa der Romancier Albert Camus, der Dichter und Maler André Breton, die Herausgeber des "Combat" und des "Franc-Tireur", Claude Bourdet und Geroge Altman, der katholische Abgeordnete und Resistance-Führer Abbé Pierre, der Maler Jean Hélion, die Direktorin von Radio Frankreich, Madelaine Paz, Louse Guieyesse vom Vorstand der "Freunde Ghandis", der protestantische Geistliche Henri Roser, die Herausgeber von "Esprit" und "Libération", Emmanuel Mounier und Louis Martin-Chauffir sowie der Gewerkschaftsführer Kobloth-Décroix und der Financier Louis Rosen, womit die Teilnehmerliste immer noch nicht abgeschlossen ist. Die Botschaft des Weltbürgertums wurde von den Medien tiefsinniger aund seriöser betrachtet. Der New Yorker anerkannte: "Mr. Davis ist im Gleichschritt mit dem Universum. Wir anderen marschieren zum Klang eines geplatzten Trommelfells" und der konservative Manchester Guradian bemerkte, der "Weltbürger Garry Davis ist ein Mann, mit dem zu rechnen ist". Das Time Magazine revidierte seine frühere Charakterisierung als "Verrückten" und kennzeichnete den ehemaligen Amerikaner nun als einen Menschen "von klugem Verstand, der seine Kollegen der französischen Intelligenz permanent überrascht", während sich Garry Davis bewußt wurde, daß er nun ein offizieller Presseagent für die Menschheit geworden war. Einige enflußreiche Publizisten begannen langsam Gefallen daran zu finden, mit Hilfe des Kosmopolitikums Davis die Staatsführungen und UN-Bürokraten bloßzustellen. Der amerikanische Kolumnist Ansel Mowrer etwa gab Davis den Tip, daß Trygve Lie eine Art Weltsicherheitstruppe plane und er sich doch als erstes Mitglied anbieten solle am besten öffentlich vor der UN-Vollversammlung. 19. November 1948 Quelle: >>Die Unteilbarkeit der Erde<<, Stephan Mögle-Stadel, Bouvier Verlag Bestellhinweis Seiner Geschichte als "erster Weltbürger" von 1948 bis 1958 geht Garry Davis in dem jüngst ins Deutsche übersetzten Buch "In der Einen Welt zuhause Die Odyssee des ersten Weltbürgers" nach. Gebundene Manuskriptfassungen im DIN-A4-Format können mit dem Bestellformular bestellt werden.
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