Orientierung in einer vernetzten Welt
Werden die Schüler von Heute die
Arbeitslosen von Morgen sein? Welch einer zusätzlichen Qualifikation
bedarf es, damit die nächste Generation einwilligt, eine Bürgschaft
für die Erde, als Bürger dieser Welt, zu übernehmen?
Nachfolgend erste Einblicke in die Anfänge des WFM-Projekts "Globalisierung
und Weltbürgerkunde".
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Die
weltwirtschaftlichen, die multikulturellen, die ökologischen, die
weltpolitischen und die ethnopsychologischen Zusammenhänge und
Entwicklungen verdichten und beschleunigen sich in ihrer globalen Komplexität.
Werden unsere Schulen den radikalen Herausforderungen einer neuen Welt-Realität
gerecht? Oder haben Erziehung und Bildung kapituliert? Wie läßt
sich eine zeitgemäße Menschheitsethik und ein globales, interdisziplinäres
Lernen schulen, welches jungen Menschen die Möglichkeit bietet,
nicht nur marketing-konforme Produktionsfaktoren und willige Konsum-enten
(von Wegwerfwaren, Mode-Ideologien und Gruppenegoismen) zu werden, sondern
politisch wache und sozial mündige Bürger einer Weltgesellschaft
des 21. Jahrhunderts.
Bezugnehmend auf eine Rede von Bundespräsident Roman Herzog vor
dem 41. Historikertag 1996 in München schrieb die Stuttgarter Zeitung
am 18. September auf Seite 2: "An die Historiker appellierte Herzog,
mit einem global orientierten Geschichtsunterricht bei der nachwachsenden
Generation ein weltoffenes Bewußtsein zu fördern." Im
Wortlaut sagte Roman Herzog u.a.: "Die Geschichtswissenschaft muß
sich in besonderem Maße um die Geschichte der ... außereuropäischen
Länder kümmern, aber nicht additiv, sondern integrativ. (...)
Soll sich das Verhältnis zu den anderen Regionen der Welt friedlich
gestalten, so ... müssen wir mehr voneinander wissen."
Einen Tag später, am 19. September 1996, kündigte das Stuttgarter
Wochenblatt unter dem Titel >Projekttage zur Weltbürgerkunde<
erste Aktivitäten an. Stephan Mögle-Stadel von den Weltföderalisten
(WFM Germany) diskutierte u.a. mit Erhard Hönes, Direktor des Ferdinand-Porsche-Gymnasiums,
und mit Walter Hiller, dem Geschäftsführer des Bundes Freier
Waldorfschulen, über das Thema >Schule 2000<. "Hierbei
werden auch die Perspektiven eines möglichen Wahlpflichtfaches
Weltbürgerkunde erörtert. Sollten die Projektwochen erfolgreich
verlaufen, will man mit den Ideen an das Oberschulamt herantreten. Der
Kreativitätsforscher Frederick Mayer [Club of Rome- und WFM-Beirats-mitglied]
arbeitet jedenfalls schon an einem ersten Lehrplankonzept", ließ
die Wochenblatt-Redaktion ihre Leser in einem dreispaltigen Bericht
wissen.
Das
Lehrerkollegium des Porsche-Gymn-asiums widmete eine Projektwoche dem
Thema Globalisierung. In Zusammenarbeit mit Dr. Mohan Ramaswamy vom
Wilhelm-Ernst-Barkhoff-Institut entwickelte Mögle-Stadel das nachfolgende
Konzept einer Projektwoche, welches erstmals im März 1997 in Hannover-Bothfeld
mit einer 12. Klasse erprobt wurde:
1. Tag: Kosmopolitische Dia-Reise um den Globus (Wirtschafts- und Kulturgeographie);
Diskussion des Gesehenen und Vertiefung. Hausaufgabe: Inhaltswiedergabe
/ Aufsatz / Zusammenfassung
2. Tag: Globale Wirtschafts- und Geschichtszusammenhänge mittels
u.a. Overheadfolien; Globalisierung als Krieg gegen die Natur? Werbepsychologie
und Gesellschaftscharakter (Erich Fromm). Hausaufgabe: Suchen Sie sich
drei Werbeanzeigen und analysieren Sie sie unter ökologischen und
werbepsychologischen Gesichtspunkten.
3. Tag: Dia-Serie über Plakatwerbung in der Weimarer Republik,
Nationalsozialismus und die Anfänge des Wirtschaftswunders; Vom
NS-Genozid zum industriellen Geozid.
4. Tag: Globalisierung von Wirtschaftsleben (Arbeit & Konsum), Rechtsleben
(Staatsordnung & Gesetz) und Geistesleben (Kultur & Ethik).
Besprechung der Hausaufgabe vom 2. Tag.
5. Tag: Wirtschaften in der Zukunft; Die UN-Organisationen und ihre
Aufgabenbereiche (Weltpostverein, Weltbank, UNESCO etc.). Hausaufgabe:
Bewußt einfaches, multikulturelles, vegetarisches Essen vorbereiten
(kalt), Kreativität und Originalität werden prämiert.
6. Tag: Alternative Visionen und Konzepte für unsere Eine Welt;
Verzehr der Hausaufgabe und Supervision.
Mittlerweilen bietet WFM Germany interessierten Schulen sowohl die
Co-Organisation von Projektwochen, Oberstufen-Tagungen oder klassenspezifischen
Epochen-Unterrichtsstunden zum Thema Globalisierung, Internationale
Organisationen (UNO-System), interdisziplinäres Lernen und Zukunftswerkstätten
an. Hierbei wechseln sich kognitiv-intellektuelle Unterrichtseinheiten
zu globalen Themen (veranschaulicht durch Dias, Tafelbilder und Overheadfolien)
mit praktischen oder künstlerischen Konzentrations- und Entspannuns-Übungen
(wie Yoga, Tai Chi, Zen-Meditation, Plastizieren, Eurythmie) und aktionsbezogenen
Unternehmungen, wie z.B. Straßen-Theater und Straßen-Interviews
mit Passanten, ab. Andere Themen sind auch die Gründung von Bürgerinitiativen
und die Durchführung von Pressearbeit. Der genaue Ablauf wird mit
den verantwortlichen Lehrern zuvor besprochen. Die Kosten belaufen sich
für die Schulen pro Tag auf etwa 200 bis 300 €.
Ansätze zu einer weltbürgerlichen Erziehung bieten die Internationalen
Schulen für die Kinder von Managern und Diplomaten, deren Curriculum
mit dem Satz abschließt: "Alle diese Bildungsangebote vermitteln
den Schülern eine positive geistige Grundeinstellung als Weltbürger".
Ähnliches findet sich auch bei den privaten United World Colleges
(UWC). "Ziel der UWC ist es, Erziehung zu einer bewegenden Kraft
werden zu lassen, die Nationen und Völker verbindet. Sie möchten
ihre Schüler so erziehen, daß sie im späteren Leben
bereit sind und fähig sind, sich für eine gerechtere, friedlichere
und tolerantere Welt einzusetzen", so ein Grundsatz der multikulturell
orientierten UWC, deren Schirmherr der südafrikanische Präsident
Nelson Mandela ist.
Ein verbindendes Glied zwischen dieser Avantgarde der Weltbürgererziehung
und der noch entwicklungsfähigen staatlichen Schulausbildung könnte
die schrittweise Einführung eines neuen Schulfaches etwa unter
der Bezeichnung "Weltbürgerkunde" sein. Denn die staatsbürgerliche
Erziehung ist bis heute auf die Geschichte und das Wohlergehen der eigenen
Nation und nicht selten auf die vermeintliche Überlegenheit des
eigenen politischen Systems und der eigenen Kultur fixiert. Weder das
daraus entstehende nationalzentristische Weltbild, noch das materialistische
"McCulture"-Bezugssystem der globalen Konzerne ist geeignet,
die Belange der Menschheit im Hinblick auf ihre Zukunftsfähigkeit
wahrzunehmen.
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