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  Peter Grieder  
           
   

 

Pädagogik: Beziehung zum Weltbürgertum

lesen Sie auch den Zeitungsbeitrag von Peter Grieder

Schon in der frühen Menschheitsgeschichte finden diese geistigen
Erkenntnisse ihren ersten Niederschlag in den Mythologien, welche sich im
Laufe der Zeit zu religiösen Strömungen entwickelten und verdichteten. Zwei Hauptströmungen
unterscheiden wir heute: Auf unserer westlichen Seite das Judentum, das
Christentum und der Islam, die alle bei Abraham zusammenlaufen, und in den
östlichen Ländern der Hinduismus und der Buddhismus, die ebenfalls in den
vedischen religiösen Schriften gemeinsame Wurzeln haben.

Unser Abrahamscher Strom ist monotheistisch geprägt, basiert auf Heiligen
Schriften, und der Glaube daran ist unantastbar. Diese intolerante Haltung
hat in den vergangenen zwei Jahrtausenden zu den schrecklichsten und im Grunde
genommen beschämendsten Kriegen geführt, wenn wir an die Christlichen
Kreuzzüge denken oder an die ,Heiligen Kriege' des Islam. Auch die Römische
Inquisition und die Hexenverbrennungen stehen gewiss auf keinem Ruhmesblatt
der nach Wahrheit suchenden Menschheit. Kriege und missbrauchte Macht im Namen der
Heiligen Schriften!

Im Gegensatz zu den westlichen Hochreligionen gibt es im Buddhismus nicht
nur keinen Gottesbegriff, sondern es gibt auch keinen Glauben. Der Mensch
soll die Wirklichkeit erkennen und nicht halb blind glauben. "Glaubt es nicht, weil
es in einem heiligen Buche steht", ermahnt uns Buddha in einem berühmten Meisterwort,
"Nehmt es nur an, wenn ihr es selbst als gut, wahr und richtig erkennen könnt."

Der Buddhist kennt die Frage: "Glaubst du an Gott?" sowenig wie der
Wissenschaftler die Frage nach dem 'Glauben' an beispielsweise
mathematische Formeln akzeptieren würde. Entweder man befasst sich mit den Gesetzen der
Mathematik und erkennt Schritt für Schritt deren Richtigkeit, oder man tut
es nicht.
Dann bleibt die Mathematik ein 'Buch mit sieben Siegeln'. Ganz sicher jedoch
ist sie keine Glaubensfrage. Der Buddhismus ist seinem Wesen nach auch kein
Glaubensbekenntnis sondern als ,monistische' Religion vielmehr eine
Erkenntnislehre.

Mit diesen Gedankengängen in die menschlichen Weisheitslehren
möchte ich bewirken, dass wir unsere Kinder lehren, Respekt zu zeigen für
andere Heilswege, dass sie bereit sein sollen, zuzuhören, andere
Gedankengänge aufzunehmen. Besagt doch ein Leitspruch aus der Hinduistischen
Vedanta-Philosophie:

"Alle Lehren führen schliesslich hin zur höchsten Wirklichkeit. zu derselben
Stadt ziehen Pilger mit verschiedener Schnelligkeit, von verschiedenen
Ausgangspunkten, mit unterschiedlicher Aufbruchszeit".
Das erinnert mich an eine Geschichte, die sich bei uns zuhause zugetragen
hat:
Meine Tochter Daniela, damals elf Jahre alt, und mein Tibeter Pflegesohn
Kesang, fragten mich eines Abends - es mag so in der Zeit vor Weihnachten
gewesen sein -: "Papi, wer war eigentlich der Mächtigere, Jesus Christus
oder Buddha?" Die Kinder hatten diese Frage offensichtlich vor dem Einschlafen
diskutiert und waren sich nicht einig geworden.

"Wer war denn Jesus Christus?", fragte ich meine Tochter,

wohl mehr um etwas Zeit zu gewinnen, als um wirklich eine Antwort zu erwarten,
die uns weiter geholfen hätte. "Jesus war doch Sohn Gottes", sagte sie.
"Und wer war Buddha, was meinst du?" richtete ich das Wort an Kesang, den
Tibeter. Er überlegte eine Weile und kam dann zum Schluss, dass auch der
"Erleuchtete" wohl ein Sohn Gottes gewesen sei.
Fast hätten sich die Kinder mit dieser Antwort zufrieden gegeben. Dann aber
erinnerte sich Daniela an den Religionsunterricht und wendete ein, dass Gott
doch nur einen Sohn gehabt hätte.

Für einen Moment waren wir alle drei ratlos.
Schon wollte ich zu einer umfassenden Antwort ausholen, als sich Kesang im
Bett aufsetzte und fragte, ob Buddha nicht viele Jahre vor Jesus gelebt
hätte. Als ich ihm dies bestätigte, leuchteten seine Augen auf und er rief voll
Freude, "Jetzt weiss ich wie es war! Zuerst sandte Gott seinen Sohn zu uns
und wir nannten ihn Buddha. Später dann wurde er bei euch wiedergeboren, und ihr
gabt ihm den Namen Jesus Christus, aber es war doch derselbe!"

 

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