Nachruf auf den Weltbürger Rudolf Bahro
Am Freitag, den 05. Dezember 1997, verstarb Dr. Rudolf
Bahro, zuletzt Professor
an der Berliner Humbolt-Universität, an einem Krebsleiden. Der
ehemalige DDR-Dissident (2 Jahre Haft wegen Kritik an der Staatsideologie)
und Mitgründer der Grünen ist Autor eines der tiefsinnigsten
und (positiv) radikalsten Bücher über die Globale Krise und
ihre Psychoanalyse, die bislang zu dieser (Zenkoan-) Problematik verfaßt
wurden. Ich spreche von seinem 1989 in der Stuttgarter Edition Weitbrecht
veröffentlichten Werk "Logik der Rettung. Wer kann die Apo-kalypse
aufhalten ? Ein Versuch über die Grundlagen ökologischer Politik."
Auf 529 Seiten zeigt er darin die zentralen Stadionen der Entwicklungsgeschichte
jener zumeist patriarchalen Megamaschine und Techno-Logie auf, welche
uns Tag für Tag, Nacht für Nacht, Stunde für Stunde,
Richtung ökologischen und sozialen Abgrund schiebt und zieht. Und
er plädierte, für einen "linken Denker" ziemlich
außergewöhnlich, für eine bürgerbewegungs-initiierte
und rechtlich limitierte Weltregierung (u.a. S.491), um die bedenkenlosen
Konsumenten und profit-süchtigen Kaufleute vor der Zerstörung
von Menschheit und Erde abzuhalten.
Auf Seite 207 beleuchtete Rudolf Bahro die Konsequenzen des Gaia-Konzeptes,
welches die Erde als einen lebendigen Gesamtorganismus beschreibt: "Eine
Erde heißt erst einmal eine Menschheit... Der Punkt, in welchem
sich diese Menschheit auf ihre Einheit hin institutionalisieren muß,
ist gewissermaßen der höchste Lotos der Rettungslogik: Bringen
wir ein Weltregiment [meint: einen Weltbundesstaat, sms] zustande, bei
dem göttliches Licht, Licht einer göttlichen Gerechtigkeit
von oben nach unten tropft wie die Töne einer Bach-Toccata ...?".
Und eine Seite (208) weiter über die notwendige Ausbreitung eines
integralen Bewußtseins (Jean Gebser, Lewis Mumford u.a.) von der
Einheit der Menschheit: "Nur auf einen Menschheitsmythos dieser
Art kann ein gaianisches Ethos gründen, das dann auch politisch
trägt, nämlich eine Weltregierung". Rudolf Bahro warnt
hierbei vor "technokratischen Phantasien ... die alle von der Informations-gesellschaft
[der Technosphäre, sms] statt von einem Reich des Menschen [Humano-
und Menosphäre] ausgehen". Und ein Satz weiter: "Dennoch
existiert die Herausforderung des >planet managements< ... und
es ist wahr, daß die tradi-tionelle individualistische Meditationspraxis
keine Aussicht hat, auch nur den Zipfel dieses Problems zu erwischen."
Zur heutigen inter-nationalen Weltpolitik schrieb er auf Seite 509:
"Der Interessenausgleich zwischen Nationalstaaten kann, wenn er
der höchste Mechanismus ist, nur auf das Nullsummenspiel hinauslaufen,
das den Namen UNO trägt und die [ursprünglich größere]
Idee der Vereinten Nationen blamiert. Diese Idee kann nur zu ihrem Recht
kommen, wenn institutionell dargestellt und verwirklicht wird, daß
ein Ganzes mehr als die Summe seiner Teile ist. Als erstes dürfen
die nationalen Delegierten gerade keine Vertreter der nationalen Staaten
[Regierungsparteien, sms] mehr sein, sondern Abgeordnete der Menschen
[der Bürgerschaft] einer Region."
Mit diesen Zitaten läßt sich vielleicht einwenig die denkerische
Weitsicht dieses Bürger- und Menschenrechtlers skizzieren, welcher
in seinem Denken und Leben, Ökologie, Spiritualität und Kosmopolitik
(in seinem Werk "Ordo" genannt) zu ver-einigen suchte. In
diesem Bemühen war der Mensch Rudolf Bahro (nicht nur) mir eine
Art Inspiration. Ich durfte ihn, 23-jährig, im Juni 1989 persönlich
kennen- und schätzenlernen als ich eine Kabelfernsehdiskussion
mit ihm, Dr. Herbert Gruhl ( 1993) und dem heutigen WFM-Beiratsmitglied
Prof. Dr. Rüdiger Lutz redaktionell betreute und moderierte. Zu
späteren Zeitpunkten durfte ich dann Gast in seiner Lernwerkstatt
sein oder ihn am Rande von Tagungen und Podien begegnen. In gewisser
Weise stand er geistig mit Pate als ich einige Jahre später den
Versuch, die Weltbürgerbewegung in Deutschland wiederzubeleben
unternahm. Ich wünschte, diese Welt hätte mehr Menschen seines
geistigen Formates. Sein Andenken bewahren heißt den schmalen
Pfad ("Dao" hätte er dies genannt) weitergehen.
Stephan Mögle-Stadel, Weltbürger-News, Printausgabe 1/1998